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© Nuno Magalhães, Pexels

Pressefreiheit unter Druck

Seit 75 Jahren garantiert das Grundgesetz die freie Presse. Sie ist eine zentrale Säule der Demokratie. Aber Pressefreiheit und unabhängige Berichterstattung müssen verteidigt werden.

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Ohne Presse- und Meinungsfreiheit gibt es keine Demokratie. Was die Verfassungsväter und -mütter bereits in die Geburtsurkunde der Bundesrepublik geschrieben hatten, gilt noch immer. Konkret sichert Artikel 5 des Grundgesetzes die Meinungsfreiheit, die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung. Er gibt der öffentlichen Aufgabe der Presse ein eigenes Grundrecht und unterstreicht damit ihre Bedeutung. 

Das ist ganz im Sinne der absoluten Mehrheit der Bundesbürgerinnen und Bundesbürger. Für 92 Prozent von ihnen ist die freie Presse eine wesentliche Grundlage der Demokratie.

Das Bewusstsein für ihre öffentliche Aufgabe ist also ausgeprägt. Und doch: Sicher kann sie sich nicht fühlen, die freie Presse. Sie hat offensive Feinde und schleichende Bedrohungen. Auch in Deutschland. 

„Eine freie, nicht von der öffentlichen Gewalt gelenkte, keiner Zensur unterworfene Presse ist ein Wesenselement des freiheitlichen Staates; insbesondere ist eine freie, regelmäßig erscheinende politische Presse für die moderne Demokratie unentbehrlich.

Soll der Bürger politische Entscheidungen treffen, muss er umfassend informiert sein, aber auch die Meinungen kennen und gegeneinander abwägen können, die andere sich gebildet haben. Die Presse hält diese ständige Diskussion in Gang“

Im historischen Spiegel-Urteil (BVerfGE 20, 162) bestätigte das Bundesverfassungsgericht die zentrale Rolle einer freien Presse für den demokratischen Willensbildungsprozess. Die Pressefreiheit in Art. 5 Grundgesetz garantiert ein freies Pressewesen und dessen privatwirtschaftliche Struktur. Dies zu sichern ist auch Aufgabe des Staates.

Bewusstsein für Bedrohung steigt

Das nimmt ein wachsender Teil der Menschen so wahr. Waren es vor fünf Jahren noch 39 Prozent der Deutschen, die die freie Presse gefährdet sehen, bewertet inzwischen fast die Hälfte (48 Prozent) ihre Lage als kritisch. 

Zwar dokumentiert die internationale Rangliste der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen (RSF) auf den ersten Blick eine positive Entwicklung. 2024 landete Deutschland auf Platz 10, während es im Vorjahr nur zum Ranglistenplatz 21 gereicht hatte. Das sei allerdings „kein Grund zum Aufatmen“, kommentiert der Deutsche Journalisten-Verband (DJV). „Der Pressefreiheit in Deutschland geht es alles andere als gut“, so DJV-Bundesvorsitzender Mika Beuster. Er nennt zum einen die tätlichen Angriffe auf Journalistinnen und Journalisten, etwa bei Demonstrationen. Zum anderen die Flut von Hasskommentaren und digitalen Bedrohungen. 

Auch die Gesamtwertung von Reporter ohne Grenzen klingt wenig erfreulich: „Pressefeindliche Tendenzen haben insgesamt in Deutschland zugenommen.“ Dagegen werde von den zuständigen Behörden zu wenig getan, beklagt Beuster. „Weder die Bundes- noch die Landespolitik hat irgendetwas unternommen, um die Pressefreiheit zu stärken.“  

Bitter, aber Realität: Häme, Hetze, Hass gehören inzwischen vielfach zum Berufsalltag von Medienschaffenden. Das dokumentiert auch das Europäische Zentrum für Presse- und Medienfreiheit (ECPMF) in seiner neusten „Feindbild Journalist:in“-Studie vom April 2024. Aus einem Misstrauen gegenüber Medien in bestimmten Milieus entwickle sich zunehmend eine Medienfeindlichkeit, konstatiert Patrick Pelz, Co-Autor der Studie. Diese Medienfeindlichkeit äußere sich „nicht mehr ‚nur‘ in ‚Lügenpresse‘-Rufen, Beleidigungen und Bedrohungen, sondern seit vier Jahren auch in einer erhöhten Zahl gewalttätiger Übergriffe auf Journalistinnen und Journalisten“.

„Die Presse erfüllt eine öffentliche Aufgabe, wenn sie in Angelegenheiten von öffentlichem Interesse Nachrichten beschafft und verbreitet, Stellung nimmt, Kritik übt oder auf andere Weise an der Meinungsbildung mitwirkt.“

Landespressegesetz: § 3 Öffentliche Aufgabe der Presse

Selbstzensur als Gefahr

Zum Ziel von – verbalen und körperlichen – Attacken zu werden, ist nicht nur eine schlimme persönliche Erfahrung. Es beschädigt auch ein ganzes Berufsbild. Wenn es zur Frage der eigenen Risikobereitschaft wird, für die vielgepriesene „Vierte Gewalt“ der Demokratie zu arbeiten, macht das den Job nicht attraktiver. Das bekommen inzwischen so gut wie alle Medienhäuser zu spüren. Selbst in kleinen Lokalredaktionen ist niemand mehr sicher vor Anfeindungen und Aggressionen. Eine Entwicklung, die der BDZV in Zusammenarbeit mit dem ECPMF seit längerem beobachtet.

Die fehlende Anonymität vor Ort wird für Lokalreporterinnen und -reporter zum Sicherheitsrisiko. Aufgrund der Nähe zwischen Berichterstattern und denen, über die berichtet wird, wirke „der Hass vor der Haustür besonders perfide“, erklärt dazu BDZV-Hauptgeschäftsführerin Sigrun Albert. Denn er hat Konsequenzen für die Berichterstattung: „Im schlimmsten Fall führt die Bedrohungslage zu Angst und Selbstzensur.“

„Blinde Flecken“ in der Berichterstattung

Wer sich permanenten Anfeindungen ausgesetzt sieht, umgeht die kritischen Themen eher. Eine Entwicklung, die laut ECPMF in Sachsen schon zu beobachten ist: Dort äußerten Journalistinnen und Journalisten, dass sie angesichts rechtsextremer Bedrohung über bestimmte Themen nicht mehr berichten. Relevante Akteure, Entwicklungen und Bewegungen könnten so aus dem Blickfeld der Öffentlichkeit geraten. Explizit sind es gerade die, die mit ihrem Treiben zur Beschädigung der Demokratie beitragen und auf die kritischer Journalismus sein Augenmerk richten sollte.

Es bedarf hierzulande also keiner staatlichen Zensur, um die freie Berichterstattung einzuschränken. Selbstzensur ist die viel größere Bedrohung. Medienhäuser und Verbände reagieren inzwischen mit Gegenmaßnahmen. Sie stellen Begleitschutz bei der Berichterstattung von Demonstrationen, bieten ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern psychologische Beratung, initiieren Hilfsangebote wie das ebenfalls vom BDZV unterstützte Projekt „Helpline“. 

Presseschutz ist aber nicht allein Sache der Medienhäuser. Es braucht auch den polizeilichen und den rechtlichen Schutz der Medien und derer, die für sie arbeiten. Hier gebe es „erhebliche Schutz- und Unterstützungslücken“, mahnt Alina Haynert, Co-Autorin der ECPMF-Studie. Die konsequente strafrechtliche Verfolgung von Übergriffen auf Journalisten zählt ebenso dazu wie eine Sensibilisierung der Polizeikräfte im Umgang mit der Presse bei Demonstrationen. Auch fehlt es an einer Verankerung von Presserecht in den Lehrplänen der Polizeiausbildung.

„Genau hier liegt eines der Ziele unseres Langzeitmonitorings“, sagt Sigrun Albert. „Wenn es uns mithilfe des ECPMF gelingt, mehr Transparenz über physische und psychische Bedrohungslagen herzustellen und als Folge dessen den Schutz von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den Redaktionen zu verbessern, haben wir auch etwas für die Verteidigung der Meinungs- und Pressefreiheit in Deutschland getan.“

Demokratie braucht informierte Bürger

Neben der offensiven Bedrohung der Pressefreiheit gibt es auch subtilere Varianten. Was, wenn die Nachrichtenmedien zwar über alles berichten, ihnen aber niemand mehr glaubt? Wenn eine pauschale Medienkritik verfängt und der gesellschaftliche Rückhalt für die etablierten Informationsmedien schwindet? Ein nachlassendes Medienvertrauen der Bürgerinnen und Bürger hätte Wirkungen für die Demokratie als Ganzes.

Demokratie lebt von gut informierten Bürgern. Oder, um es mit den Worten des Bundesverfassungsgerichts zu sagen: „Soll der Bürger politische Entscheidungen treffen, muss er umfassend informiert sein, aber auch die Meinungen kennen und gegeneinander abwägen können, die andere sich gebildet haben. Die Presse hält diese ständige Diskussion in Gang“ (BVerfGE 20, 162). Zwar ist diese Mahnung aus dem damaligen Spiegel-Urteil schon etwas in die Jahre gekommen. Zur Presse haben sich längst weitere Medienkanäle gesellt, die die „ständige Diskussion“ in Gang halten. Aber die verlagern sie womöglich immer stärker in jeweils eigene Filterblasen, in denen ein breites Meinungsspektrum und andere Positionen gar nicht mehr durchdringen. Und in denen die klassischen Medien mit ihrem pluralistischen Angebot gerne auch als „Mainstream-Medien“ verunglimpft werden. 

Gerade diese Vielkanalität in der Mediendemokratie birgt eine weitere Bedrohung. In der Informationsflut ertrinken Fakten förmlich. Seriös Recherchiertes steht Seite an Seite neben gezielt verbreiteten Falschnachrichten, die sich ungebremst im Netz verbreiten und die Glaubwürdigkeit der Presse untergraben sollen. Desinformation und Fake News-Kampagnen zur Beeinflussung der öffentlichen Meinungsbildung sind nicht nur im Vorfeld von Wahlen vielfach nachgewiesen.  

Neben die bewusste Falschinformation und Manipulation tritt neuerdings die, die aus Halluzinationen bei Künstlicher Intelligenz (KI) hervorgeht. KI kann in Sekundenschnelle Nachrichten generieren – und genauso schnell Falsches in die breite Öffentlichkeit tragen. Wenn ein KI-Modell Datenlücken hat oder fehlerhaft trainiert wurde, spuckt es irreführende, verzerrte oder auch gänzlich falsche Informationen aus. Das schürt Misstrauen – und im schlechtesten Fall das Misstrauen der Öffentlichkeit gegenüber Medien insgesamt. Ohne Vertrauen in die mediale Berichterstattung kann demokratische Willensbildung aber nicht gelingen. Für die seriöse Presse gilt: Die Verantwortung bleibt bei der Redaktion. Faktenprüfung, Qualitätssicherung und die Anwendung journalistischer Sorgfaltspflichten sind Pflicht, auch beim KI-Einsatz. Vertrauen in die Berichterstattung ist die entscheidende Währung in der Mediendemokratie.

© Evangeline Shaw, Unsplash

Schwindet das Vertrauen?

Wie steht es nun angesichts all dessen um das Medienvertrauen der Menschen? Kranken die etablierten Nachrichtenquellen schon heftig am Vertrauensverlust ihres Publikums? Nicht wirklich, sagt eine Mainzer Langzeitstudie. 

Aber ein leichtes Schwächeln zeigt sich in der neusten Erhebung doch. So sei das Medienvertrauen der Deutschen im vergangenen Jahr „moderat gesunken“. Aber nach wie vor vertrauten 44 Prozent der Menschen den Medien in wichtigen gesellschaftlichen Fragen „voll und ganz“ bzw. „überwiegend“, ein Drittel vertraue ihnen „teils, teils“ – ein Rückgang um fünf Prozent gegenüber 2022. Damit bewege sich das Medienvertrauen auf dem Niveau von 2019, analysiert das Forscherteam. Lediglich in der Corona-Pandemie habe es einen Spitzenwert von 56 Prozent erreicht.

Gestiegen ist dagegen der Anteil der Menschen, die kritisch bis feindselig auf die Medien blicken. Immerhin 17 Prozent bejahten, dass die Bevölkerung in Deutschland „von den Medien systematisch belogen“ werde (Vorjahr: 14 Prozent). Und fast ein Viertel (23 Prozent) stimmt der Aussage zu, „Die Medien und die Politik arbeiten Hand in Hand, um die Meinung der Bevölkerung zu manipulieren.“

Und dennoch: Die etablierten Mediengattungen genießen bei der Mehrzahl der Menschen ein nahezu ungebrochen hohes Vertrauen. Die Vertrauenswerte von öffentlich-rechtlichem Fernsehen (64 Prozent) und überregionalen wie lokalen Tageszeitungen (52 bzw. 59 Prozent) seien „erstaunlich stabil“, heißt es in der Mainzer Studie.

Zeitungsangebote unverzichtbar

Das deckt sich mit einer aktuellen BDZV-Untersuchung zur Rolle der klassischen redaktionellen Medien. 

Die ist nach wie vor bedeutsam: Gefragt nach den wichtigsten Medien für die freie Meinungsbildung, setzt die große Mehrheit der Bevölkerung auf den professionellen Journalismus von Fernsehen, Radio und Zeitungen. Für 76 Prozent der Deutschen sind die Zeitungen mit ihren digitalen und gedruckten Angeboten „unverzichtbar für die freie Meinungsbildung“. Sogar junge Menschen mit ihren vielfach anderen Mediennutzungsgewohnheiten attestieren den Zeitungen diesen hohen Stellenwert. Drei Viertel der unter 30-Jährigen nennen sie „unverzichtbar“.

Auch wenn soziale Netzwerke oder Video-Plattformen gerne und viel genutzt werden – als verlässliche Quelle für Informationen haben die klassischen redaktionellen Medien klar die Nase vorn. Plattformen ohne journalistische Redaktion wie Instagram, YouTube, WhatsApp oder TikTok haben für mehr als die Hälfte der Bevölkerung dagegen keinen signifikanten Stellenwert in Sachen freie Meinungsbildung.

Journalismus mit Verantwortung

Für BDZV-Hauptgeschäftsführerin Sigrun Albert ist dieser Befund keine Überraschung. Denn es seien eben die klassischen Nachrichtenmedien, die für geprüfte, verlässliche Informationen stehen. „Ihre Redaktionen übernehmen die volle Verantwortung für ihre Veröffentlichungen.“ Im Gegensatz dazu stünden Desinformation und Hassrede, wie sie auf sozialen Plattformen nach wie vor ungefiltert verbreitet werden. „Umso wichtiger ist es, dass wir die Presse schützen. Vor physischen Angriffen auf Journalisten genauso wie vor gezielter Abwertung aus dem populistischen Lager der Pressefeinde“, fordert Albert. Und sie fügt hinzu: „Auch in Deutschland müssen wir für die richtigen Rahmenbedingungen kämpfen, die unabhängigen Journalismus zukunftsfest machen.“

Dazu gehören wirtschaftliche Rahmenbedingungen, unter denen professioneller Journalismus weiter als Geschäftsmodell betrieben werden kann. Denn eine Demokratie ohne starke, auch regionale Medien wird eine anfällige Demokratie. Das zeigt das Beispiel USA: Wo lokale Redaktionen geschlossen haben, sind Korruption und Machtmissbrauch gestiegen. Für Deutschland bestätigt eine Studie des Sozialwissenschaftlers Maximilian Flößer die Rolle von Lokalzeitungen als Bollwerk gegen Extremismus: Wo die seriösen Informationen einer lokalen Zeitungen fehlen, bekomme die AfD im Schnitt 1,6 Prozent mehr Stimmen. 

Eine Entwicklung, vor der nicht nur Transparency International warnt: „Die Medien, insbesondere auch die regionalen, sind die Watchdogs unserer Demokratie. Sie schauen der Politik ‚auf die Finger‘, decken Missstände auf und verhindern vielfach allein durch ihr Dasein Machtmissbrauch.“ Dieses Dasein zu sichern, bleibt Aufgabe und Verpflichtung. Auch nach 75 Jahren grundgesetzlich verankerter Pressefreiheit in Deutschland gibt es keine Garantie auf die Zukunft. Die freie Presse und ihre Vielfalt muss immer wieder neu verteidigt werden.

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Die wichtigsten Punkte zusammengefasst

    • Ohne Presse- und Meinungsfreiheit gibt es keine Demokratie. Seit 75 Jahren sichert Artikel 5 des Grundgesetzes diese Freiheiten und unterstreicht damit die elementare Bedeutung der freien Presse.

 

    • Für 92 Prozent der Bürgerinnen und Bürger ist die freie Presse eine wesentliche Grundlage der Demokratie. Aber das Bewusstsein für ihre Bedrohungen steigt: 48 Prozent sehen die freie Presse gefährdet.

 

    • Pressefeindliche Tendenzen verstärken sich in Deutschland. Tätliche Angriffe, Hasskommentare und digitale Bedrohungen von Journalistinnen und Journalisten nehmen zu. Das zeigen übereinstimmend die Untersuchungen von Reporter ohne Grenzen, Deutscher Journalisten-Verband (DJV), Europäisches Zentrum für Presse- und Medienfreiheit (ECPMF) und Bundesverband Digitalpublisher und Zeitungsverleger (BDZV).

 

    • Es droht eine Selbstzensur, da Anfeindungen die Berichterstattung beeinflussen. Medienhäuser reagieren mit Schutzmaßnahmen für ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Polizei und Rechtssystem müssen den Schutz der Medien und ihrer Mitarbeiter weiter stärken.

 

    • Zeitungen sind für 76 Prozent der Bevölkerung unverzichtbar für die freie Meinungsbildung. Sie stehen für geprüfte Informationen und Verantwortung. Ihr unabhängiger Journalismus auch im Lokalen braucht zur Zukunftssicherung die richtigen politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen. Nur so kann die Pressefreiheit des Grundgesetzes verteidigt werden.

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