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„Als Journalist leihe ich meinen Lesern Augen und Ohren“

Vor Ort präsent zu sein und von dort direkt zu berichten – für Medien­schaffende ist das Berufsalltag. Und für den unabhängigen Journalismus eine Notwendigkeit. Egal ob im großen Weltgeschehen oder im Lokalen.

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Dicht dran sein – in Kriegs- und Krisengebieten ist das für Journalistinnen und Journalisten eine Gefahr. Allzu oft eine tödliche. Der Krieg in der Ukraine führt brutal vor Augen, dass wahrheitsgemäße Information mehr denn je zu einem Risiko geworden ist. Vor allem für die, die sich das Ziel, Bürgerinnen und Bürger transparent und möglichst objektiv zu informieren, schon mit ihrer Berufswahl auf die Fahnen geschrieben haben. Medienschaffende versuchen, vor Ort zu sein, um Zeugnis zu geben und um zu dokumentieren. So beschrieb Andrej Kurkow, Autor und ukrainischer PEN-Präsident, die wichtige Rolle von Journalisten anlässlich der Verleihung des Theodor-Wolff-Preises 2022 in Berlin. „Es wäre keine Übertreibung zu sagen, dass die Zukunft der Ukraine heute fast so sehr von den Journalisten abhängt wie von der ukrainischen Armee“, betonte Kurkow in seiner Rede. Aber er sagt auch: „Journalist in einem Krieg zu sein, wird immer gefährlicher. Die Aufschrift ‚Presse‘ auf einem Helm oder einer schusssicheren Weste schützt den Journalisten nicht mehr, sondern macht ihn im Gegenteil zur Zielscheibe.“

Aber gerade weil Kriegsparteien lügen und verschweigen, mit Propaganda beeinflussen und Falschinformationen streuen, ist die journalistische Arbeit vor Ort so wichtig. „Ohne da zu sein, kann ich nicht fühlen, hören, sehen. Ohne da zu sein, kann ich keine authentischen Augenzeugenberichte machen“, erklärt Paul Ronzheimer von BILD, aktuell einer der profiliertesten Kriegsreporter in der Ukraine. Auch für Christina Hebel vom SPIEGEL ist es essenzieller Bestandteil journalistischer Arbeit, vor Ort zu sein und sich ein eigenes Urteil zu verschaffen.

Genau hinschauen, zuhören und authentisch berichten – der Vor-Ort-Einsatz zählt zur Essenz journalistischer Arbeit.
Genau hinschauen, zuhören und authentisch berichten – der Vor-Ort-Einsatz zählt zur Essenz journalistischer Arbeit.

Nah dran auch im Lokalen

Dieser journalistische Grundsatz muss nicht immer mit Lebensgefahr einhergehen. Denn was sich in der Ukra­ine-Berichterstattung und anderen Kriegs- und Krisengebieten vor den Augen der gesamten Weltöffentlichkeit zeigt, gilt auch im Lokalen: Die Präsenz vor Ort ist eine der Säulen für gute Berichterstattung.

Sie mag zwar weniger gefährlich sein – wobei tätliche Angriffe gegen Lokaljournalisten inzwischen ein erschreckendes Ausmaß annehmen, siehe den Bericht auf S. 6 –, aber nicht weniger wichtig. Auch an ihrem Wohnort erwarten Leserinnen und Leser, dass seriöser Journalismus sich der Themen vor der eigenen Haustür annimmt, ihnen objektive Beobachtungen liefert und sie sich daraus ihre eigene Meinung bilden können. Nähe ist also wichtig. Nicht die unkritische zu Bürgermeistern und Meinungsführern. Aber die räumliche und die zur Lebenswelt derer, für die man schreibt.

Leserinnen und Leser merken es, wenn Journalismus lokal verwurzelt und relevant für sie ist – und goutieren es.

Dass Einsparungen in Lokalredaktionen dazu geführt haben, dass weniger Redakteurinnen und Redakteure für größere Gebiete zuständig sind, ist da wenig hilfreich. Es sei ein Fehler, dass das Netz der Lokalredaktionen ausgedünnt wurde, äußerte Funke-Verlegerin Julia Becker selbstkritisch beim European Publishing Congress 2022 in Wien. Gerade der Regional- und Lokaljournalismus müsse nah bei den Menschen sein „und genau dort, wo die Menschen Demokratie erleben“. Denn „die Nähe zu den Lebenswelten der Leserinnen und Leser ist ein Faktor, der über den Erfolg eines Mediums entscheidet“.

Leserinnen und Leser merken, wenn Journalismus lokal verwurzelt und relevant für sie ist – und sie goutieren es. Das Schönste an der Arbeit im Lokalen sei für ihn die Unmittelbarkeit, sagt Mika Beuster, Reporterchef bei VRM Mittelhessen. „Rückmeldungen sind direkt, schnell und echt.“

relevant

Warum Nähe wichtig ist

Für relevant. haben wir Korrespondenten und Journalisten aus dem In- und Ausland befragt, warum die Vor-Ort-Berichterstattung für sie wichtig ist.

Christina Hebel, Leiterin des Moskauer Büros des SPIEGEL

Was bedeutet es für Sie persönlich, unmittelbar und direkt vom Ort des Geschehens zu berichten?

Für mich ist es essenzieller Bestandteil journalistischer Arbeit, vor Ort zu sein, sich ein eigenes Urteil zu verschaffen, authentisch und so nah wie möglich die Tatsachen abzubilden. Das gilt in Russland umso mehr jetzt in Zeiten des Kriegs, wo mit Beginn von Moskaus Invasion Kreml und Sicherheitsbehörden den Druck gegen Medien noch einmal deutlich erhöht haben. Fakten dürfen nach dem „Fake News“-Gesetz nicht mehr beim Namen genannt werden: Etwa muss der Krieg offiziell als „Spezialoperation“ bezeichnet werden, andere Angaben als die des russischen Militärs können als „Diskreditierung“ hart bestraft werden, was faktisch einer Zensur gleichkommt.

Was hat es aus Ihrer Sicht für einen Mehrwert für Leserinnen und Leser, Berichte aus erster Hand zu bekommen?

Einen enormen, gerade bei der Berichterstattung aus Russland, wo es aufgrund der Repressionen kaum noch unabhängigen Journalismus gibt und gleichzeitig die Propaganda des Kreml so massiv ist, auch über die russischen Grenzen hinaus Einfluss hat. Umso wichtiger ist es für Leserinnen und Leser, Stimmen aus dem Land, Eindrücke und Einordnungen von vor Ort zu erhalten.

Wie gelingt es Ihnen, trotz großer (ggf. auch emotionaler) Nähe eine kritische journalistische Distanz zu wahren?

Nähe ist absolut wichtig für meine Arbeit, aber genauso wieder Distanz zu bekommen, einen Schritt zurückzutreten. Dazu versuche ich immer wieder mich und meine Arbeit zu hinterfragen, viel auch mit Kolleginnen und Kollegen über das Erlebte und Eindrücke zu sprechen.

Christina Hebel

Christina Hebel, Foto: Christina Hebel

Für mich ist es essenzieller Bestand­teil journalistischer Arbeit, vor Ort zu sein, sich ein eigenes Urteil zu ­verschaffen.

Christina Hebel

Paul Ronzheimer, Stv. Chefredakteur BILD

Was bedeutet es für Sie persönlich, unmittelbar und direkt vom Ort des Geschehens zu berichten?

Von vor Ort zu berichten, bedeutet für mich alles. Ohne da zu sein, kann ich nicht fühlen, hören, sehen. Ohne da zu sein, kann ich die Emotionen der Menschen nicht verstehen. Ohne da zu sein, kann ich keine authentischen Augenzeugenberichte machen. Die unmittelbare Berichterstattung ist das, was mich als Reporter motiviert, Reporter zu bleiben.

Paul Ronzheimer
Paul Ronzheimer © Niels Starnick

Was hat es aus Ihrer Sicht für einen Mehrwert für Leserinnen und Leser, Berichte aus erster Hand zu bekommen?

Wenn in Kyjiw eine Einkesselung droht, dann wollen die Zuschauer einen Reporter in Kyjiw sehen und nicht in Lwiw. Natürlich birgt das Gefahren, aber es ist unser Job, in diesen Situationen dort zu sein und wenn irgendwie möglich auch zu bleiben. Unser Job ist es, vor Ort zu zeigen, was ist. Unser Job ist es nicht, aus Sicherheitsgründen von woanders zu zeigen, was sein könnte.

Wie gelingt es Ihnen, trotz großer (ggf. auch emotionaler) Nähe eine kritische journalistische Distanz zu wahren?

Ich halte es da mit der großartigen Reporterin Christiane Amanpour: „Truthful, not neutral!“ Wer aus der Ukraine berichtet, kann gar nicht neutral sein angesichts der russischen Aggression. Das bedeutet allerdings nicht, dass wir kritische Aspekte auf der ukrainischen Seite ignorieren.

Unser Job ist es, vor Ort zu zeigen, was ist. Und nicht von woanders zu zeigen, was sein könnte.

Paul Ronzheimer

Stefanie Glinski, Freie Journalistin, u.a. für The Guardian und Frankfurter Allgemeine Zeitung

Was bedeutet es für Sie persönlich, unmittelbar und direkt vom Ort des Geschehens zu berichten?

Anders geht es gar nicht. In einem Krisengebiet ändern sich die Realitäten vor Ort ja ständig, manchmal von Minute zu Minute. Besonders wenn es darum geht, über einen Krieg oder Konflikt zu berichten, muss man die Situation selbst sehen: wie fühlt es sich an? Haben die Menschen Angst? Habe ich Angst? Was erzählen mir andere? Ist es warm, kalt, wie riecht es? Was für Geräusche vernehme ich im Hintergrund? All diese Kleinigkeiten tragen dann zu einem größeren Bild bei. Oft berichte ich über Situationen, in denen Menschen großes Leid widerfahren ist – und mit diesen Menschen möchte ich auch zusammensitzen, ansonsten ist es ihnen gegenüber nicht fair, ansonsten werde ich sie nie annähernd verstehen.

Was hat es aus Ihrer Sicht für einen Mehrwert für Leserinnen und Leser, Berichte aus erster Hand zu bekommen?

Persönlich vertraue ich einem Autor viel mehr, wenn dieser vor Ort ist. Schreibt man aus der Ferne, kann vieles verdreht oder missverstanden werden. Es ist doch so wichtig, dass sich Journalisten so gut es geht auch in die Situation begeben, über die sie berichten.

Wie gelingt es Ihnen, trotz großer (ggf. auch emotionaler) Nähe eine kritische journalistische Distanz zu wahren?

Ich glaube, das habe ich über die Jahre gelernt. Für meine Berichterstattung höre ich mir immer so viele Seiten und Meinungen an wie nur möglich. Ich gehe an jedes Interview neutral ­heran, egal mit wem ich spreche.

Gleichzeitig ist es aber auch in Ordnung, sich mit Menschen zu freuen oder mit ihnen zu trauern, je nach Situation. Besonders in Krisengebieten haben Menschen oft Leid erfahren und wenn sie sich bereit erklären, ihre Geschichte mit mir zu teilen, dann nehme ich mir die Zeit um zuzuhören, auch um mit ihnen zu weinen. Es bedeutet mir sehr viel, wenn mir Menschen dieses Vertrauen entgegenbringen; das möchte ich dann auch respektieren. Egal wo wir herkommen und was für Berufe wir gewählt haben, sind wir am Ende ja doch alle gleich: einfach Menschen.

Kriegs- und Krisenregionen sind ihr Schwerpunkt: Die Journalistin und Fotografin Stefanie Glinski berichtet aktuell aus Afghanistan und der Ukraine.
Kriegs- und Krisenregionen sind ihr Schwerpunkt: Die Journalistin und Fotografin Stefanie Glinski berichtet aktuell aus Afghanistan und der Ukraine.
Stefanie Glinski

Foto: Stefanie Glinski

Sonja Zekri, Berlin-Korrespondentin für die Süddeutsche Zeitung. Zuvor Leiterin des SZ-Büros Moskau und Auslandskorrespondentin im Nahen Osten

Was bedeutet es für Sie persönlich, unmittelbar und direkt vom Ort des Geschehens zu berichten?

Man kann als Journalistin vieles auf Social Media oder im Internet lesen, viele Fotos sehen, Reportagen, Analysen, Protokolle lesen. Aber wenn man wirklich verstehen will, was vor sich geht und wie alles zusammenhängt, wenn man die Stimmung der Menschen, das Gesagte und das Ungesagte begreifen will, wenn man sich ein Bild von der Topografie, vom Raum machen will, dann bleibt nichts anderes übrig als: hinfahren, anschauen, zuhören.

Sonja Zekri
Sonja Zekri, Foto: Mike Wolf

Was hat es aus Ihrer Sicht für einen Mehrwert für Leserinnen und Leser, Berichte aus erster Hand zu bekommen?

Ohne eins kein zwei. Nur ein Journalist oder eine Journalistin, der/die vor Ort war und sich einen wie auch immer begrenzten und lückenhaften Eindruck verschafft hat, ist in der Lage, dem Leser oder der Leserin eine realistische Einschätzung zu bieten. Das bedeutet nicht, dass man auf die aus den Redaktionen zugänglichen Quellen verzichten muss. Aber sie allein können immer nur eine Ergänzung sein, nie ein Ersatz für den Vor-Ort-Einsatz. Für die Leserinnen und Leser bietet sich nur so die Chance, zusätzlich zu den von allen erzählten Geschichten neue Perspektiven zu erhalten – und vielleicht ein bisschen mehr zu verstehen.

Wie gelingt es Ihnen, trotz großer (ggf. auch emotionaler) Nähe eine kritische journalistische Distanz zu wahren? Man braucht beides, emotionale Offenheit und Professionalität. Wer vom Leid der Menschen in einem Krieg nicht berührt wird, verfällt beim Schreiben schlimmstenfalls in kalten Technizismus. Wer hingegen die eigene Emotionalität mit dem Geschehen vor Ort verwechselt, macht sich selbst zum Gegenstand. Die oberste Regel für die Berichterstattung aus Krisengebieten aber lautet, dass die Menschen, denen Schlimmes widerfährt, wichtiger sind als der Reporter oder die Reporterin. Wer am ergriffensten über die Gefahr für sich selbst schreibt, sollte zuhause bleiben.

Andere Quellen können immer nur eine Ergänzung sein, aber nie ein Ersatz für den Vor-Ort-Einsatz.

Sonja Zekri

Sebastian Leber, Reporter bei Der Tagesspiegel (Berlin)

Was bedeutet es für Sie persönlich, unmittelbar und vom Ort des Geschehens zu berichten?

Bei mir sind es immer zwei Phasen: zuerst Stress und Aufregung, die Sorge, vor Ort nicht genug Dinge zu erfahren und Material zu sammeln, nicht die richtigen Fragen zu stellen oder keine Gesprächspartner zu finden – und hinterher das Gefühl, schon wieder viel zu viel Material gesammelt zu haben und nur einen kleinen Teil davon in meiner Berichterstattung unterbringen zu können. So geht es jedes Mal aufs Neue. Ich erinnere mich aber an keinen Fall, in dem sich der Aufwand nicht gelohnt hätte.

Was hat es aus Ihrer Sicht für einen Mehrwert für Leserinnen und Leser, Berichte aus erster Hand zu bekommen?

Dass Kriegsparteien im Zweifel lügen, Fakten hier verschweigen und da schönreden, ist eine Tatsache. Das war schon immer so und gilt natürlich für alle Seiten. Sie betreiben PR. Deshalb sind eine unabhängige Draufsicht und Einordnung enorm wichtig. Als Journalist leihe ich meinen Lesern Augen und Ohren, aber ich fahre auch 30 Stunden im Bus nach Kyjiw und übernachte bei Luftalarm in ramschigen Hostels, damit sie es nicht tun müssen.

Wie gelingt es Ihnen, trotz großer (ggf. auch emotionaler) Nähe eine kritische journalistische Distanz zu wahren? Oft ist es unvermeidbar, dass mich Erlebnisse auch emotional stark berühren. Diese Gefühle verdränge ich nicht, sondern lasse sie zu und spreche viel darüber, zum Beispiel mit meiner Freundin, meinen Eltern, auch mit Kollegen. Das hilft dann, den klaren Blick auf die Fakten zu behalten, den es für die journalistische Arbeit braucht. Persönliche Sympathien, etwa für die Bevölkerung der Ukraine, sind kein Problem, solange man sich ihrer bewusst ist.

Sebastian Leber

Foto: Katharina Eglau

Ivo Mijnssen, NZZ-Korrespondent Zentral- und Osteuropa, Wien

Was bedeutet es für Sie persönlich, unmittelbar und direkt vom Ort des Geschehens zu berichten?

Ich bin kein Front-Korrespondent, fand aber meine Reportagereisen in die Westukraine absolut zentral für eine gute Berichterstattung. Natürlich kann man heute enorm viel über das Internet herausfinden und im Büro schreiben, aber es geht nichts über direkte Gespräche und die persönliche Erfahrung in einer Stadt, die bombardiert wird.

Ivo Mijnssen
Ivo Mijnssen, Foto: NZZ

Was hat es aus Ihrer Sicht für einen Mehrwert für Leserinnen und Leser, Berichte aus erster Hand zu bekommen?

Berichte aus erster Hand sind authentischer und zeigen, dass man sich als Journalist wirklich mit seinem Gebiet auseinandersetzt. Und natürlich sind Reportagen ein sehr attraktiver Lesestoff, da sie idealerweise lebendig, emotional und spannend geschrieben sind. Sie bilden auch einen Ausgleich zu den ebenfalls notwendigen Analysen, die aber in der Regel etwas trockener daherkommen.

Wie gelingt es Ihnen, trotz großer (ggf. auch emotionaler) Nähe eine kritische journalistische Distanz zu wahren? Das ist natürlich nicht leicht in einem Krieg, aber ich halte es für sehr wichtig, sich der eigenen Rolle als Beobachter – und nicht als Aktivist – stets bewusst zu bleiben. Das hilft beim Behalten der Distanz ebenso wie etwas Abwechslung bei der Themenwahl: Man muss als Journalist nicht immer nur die krassesten und schlimmsten Geschichten suchen, sondern darf auch über etwas weniger spektakuläre – je nach dem sogar relevantere – Themen schreiben.

Ich halte es für sehr wichtig, sich der eigenen Rolle als Beobachter stets bewusst zu bleiben.

Ivo Mijnssen

Judith von Plato, Volontärin bei der Märkischen Allgemeinen Zeitung (MAZ)

Was bedeutet es für Sie persönlich, unmittelbar und direkt vom Ort des Geschehens zu berichten?

Für mich ist das ein unglaubliches Privileg. Ich kann mir aus erster Hand vom Geschehenen ein Bild machen, nachfragen und das Recherchierte so gut ich kann an Leserinnen und Leser weitergeben.

Was hat es aus Ihrer Sicht für einen Mehrwert für Leserinnen und Leser, Berichte aus erster Hand zu bekommen?

Sie sind nicht auf möglicherweise befangene Perspektiven von Involvierten angewiesen. Stattdessen verlassen sie sich auf Einschätzungen von außenstehenden und ausgebildeten Journalistinnen und Journalisten, deren Anspruch es ist, möglichst unvoreingenommen und ausgewogen zu informieren.

Wie gelingt es Ihnen, trotz großer (ggf. auch emotionaler) Nähe eine kritische journalistische Distanz zu wahren? Ich rufe mir diesen Anspruch immer wieder neu ins Gedächtnis. Bei besonders emotionalen oder polarisierenden Themen versuche ich meine innere Haltung zu reflektieren, indem ich sie vor mir selbst explizit in Worte fasse. Besonders hilfreich ist auch der Austausch im Kollegium und mit Andersdenkenden.

Judith von Plato
Judith von Plato © Henry Mundt

Leser verlassen sich auf die Einschätzungen von ausgebildeten Journalistinnen und Journalisten.

Judith von Plato

Mika Beuster, Reporterchef bei VRM in Mittelhessen und stellvertretender Bundesvorsitzender Deutscher Journalisten Verband (DJV)

Was bedeutet es für Sie persönlich, unmittelbar und direkt vom Ort des Geschehens zu berichten?

Das Schönste an der Arbeit im Lokalen: Rückmeldungen sind direkt, schnell und echt. Menschen wollen sich mitteilen, per Telefon, teilweise kommen sie in die Redaktion. Wir merken sofort, ob eine Geschichte funktioniert. Und: Oft genug ist es nicht Kritik, sondern Lob dafür, dass wir Debatten angestoßen haben, etwas bewegen. Das tut gut, es zeigt, dass Journalismus im Lokalen relevant ist, die Menschen ihn brauchen.

Mika Beuster
Mika Beuster, Foto: Werner Siess

Was hat es aus Ihrer Sicht für einen Mehrwert für Leserinnen und Leser, Berichte aus erster Hand zu bekommen?

Wir navigieren die Leser durch den Nachrichtendschungel, bewerten, ordnen ein, finden relevante Entwicklungen. Wir haben einen Blick auf die Mächtigen aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft in der Region und fragen, welche Auswirkungen ihre Entscheidungen für die Menschen vor Ort haben. Wir wissen, was vor Ort los ist: Die Lokalzeitung ist oft erster Ansprechpartner, wenn es darum geht, zu erfahren, was neu in der Stadt ist. Unsere Leser sparen Zeit, sind informiert über ihr direktes Lebensumfeld, bekommen nutzwertige Tipps für ihren Alltag, können sich gepanzert mit gesicherten Informationen in demokratische Prozesse in ihren Kommunen einbringen. Und oft genug sind wir Ansprechpartner für Menschen mit Sorgen und Nöten, hören zu, suchen strukturelle Probleme und stellen sie dar, finden Lösungen.

Wie gelingt es Ihnen, trotz großer (ggf. auch emotionaler) Nähe eine kritische journalistische Distanz zu wahren? Nähe im Lokalen ist Segen und Fluch zugleich. Einerseits hat man Kontakte, Wissen und Zugang, andererseits schreibt man über jene, die einem theoretisch jeden Tag über den Weg laufen können. Man darf deswegen aber nicht seinen journalistischen Biss verlieren, um möglichen Konflikten im nahen Lebensumfeld aus dem Weg zu gehen. Da hilft nur eines: sich regelmäßig hinterfragen, im Zweifel Kolleginnen und Kollegen um Einschätzung bitten. Bei kritischen Geschichten bitte ich befreundete Kolleginnen und Kollegen in weiter entfernten Redaktionen um Feedback.

Rückmeldungen im Lokalen sind direkt, schnell und echt.

Mika Beuster

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