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© Rainer Kwiotek

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Unser Grundgesetz garantiert jedem und jeder, sich frei zu äußern. Bürger dürfen demonstrieren, Künstler ohne Grenzen wirken. Dennoch klagen viele, nicht alles sagen zu dürfen. Wie steht es um die Freiheiten in Deutschland? Eine Reise durch die Republik – zum 75-jährigen Jubiläum unserer Verfassung

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„Passt auf, dass euch nicht dasselbe geschieht wie uns Russen!“

Alexey Gresko, 49, war Wahlkampfleiter von Alexej Nawalny in Jekaterinburg. Heute lebt der Kreml-Kritiker, der dreimal im russischen Gefängnis saß, mit seiner Familie im Freiburger Exil. Er ruft dazu auf, für demokratische Werte zu kämpfen

Alexey Gresko, Wahlkampfleiter

Ich hab‘ früher mehrere Cafés in Jekaterinburg betrieben. Eines davon öffnete ich für eine Pressekonferenz von Nawalny, später heuerte ich als sein Wahlkampleiter in der 1,5 Millionen Stadt an. Ich bereue das nicht – trotz meiner Verhaftungen und der Vertreibung aus meiner Heimat. Ich verstehe es stattdessen als glücklichen Zufall, bei einem der wichtigsten Ereignisse russischer Geschichte auf der richtigen Seite zu stehen. Als junger Mensch erlebte ich das Ende der Sowjetunion und genoss die Freiheit, zu reisen, wohin ich wollte und zu tun, was ich wollte. So sollten es auch meine Kinder haben.

Die Freiheit wurde in Russland nicht von einen Tag auf den anderen eingeschränkt. Es passierte Schritt für Schritt. Das Unheil begann, als den Medien ihre Unabhängigkeit genommen wurde. Der Staat strich seinen Teil der Medienfinanzierung, damit Oligarchen, die den Machthabern nahestanden, die Fernsehsender übernehmen konnten. Die Regierung gewann damit Einfluss auf die öffentliche Meinung. Später wurden kritische Presseberichte mit hohen Geldstrafen geahndet und aufmüpfige Journalisten verhaftet.

Natürlich gab es Leute, die alarmiert waren, aber die Mehrheit war es nicht. Putin hat mit dem russischen Volk eine Art Pakt geschlossen: Ihr haltet still, und ich verspreche euch Wohlstand und Wachstum. Seine Propaganda ist sehr effizient. Über soziale Netzwerke schickt er Botschaften an jede Zielgruppe. Den Nationalisten präsentiert er Pläne für ein großes Russland, den Rentnern verspricht er einen sicheren Lebensabend und allen zusammen, dass nur mit ihm diese Ziele zu erreichen seien.

Selbst wenn es Russen gelingt, sich in unabhängigen Medien und sozialen Netzwerken zu informieren, bringt es wenig. Es gibt keine Kreml-unabhängigen Parteien mehr, alle Formen von Kundgebungen sind verboten. Dennoch gibt es immer wieder Zeichen des Widerstands. Wie sich zu den Präsidentenwahlen im März dieses Jahres zu einer verabredeten Zeit vor den Wahlbüros in die Schlange zu stellen. Alexej Nawalny hatte kurz vor seinem Tod noch zu diesem Protest, dem „Mittag gegen Putin“ aufgerufen.

In Deutschland gilt Presse- und Meinungsfreiheit als selbstverständliches Grundrecht. Russland ist leider ein Beispiel dafür, wie fragil es ist, wenn man es nicht verteidigt und akzeptiert, dass sich Reporter aus Angst vor Repressalien scheuen, Politikern auf die Finger zu klopfen. Auch wenn man wie Populisten nur nach einfachen Lösungen für komplizierte Probleme sucht, ist es sehr schnell vorbei mit der Demokratie.

Das ist meine Warnung an die Deutschen: Passt auf, dass euch nicht dasselbe geschieht wie uns Russen!

Alexey Gresko auf einem öffentlichen Platz in Freiburg . Er war Oppositioneller in Russland und der Wahlkampfmanager von Alexej Nawalny in Jekatarinburg. 2021 flüchtete er aus Russland und lebt nun in Freiburg. Seit März 2022 ist die weiß-blau-weiße-Flagge ein Symbol der Proteste gegen den russischen Überfall auf die Ukraine. Der rote Streifen der russischen Flagge, der mit Krieg, Blut und der sowjetischen Vergangenheit in Verbindung gebracht wird, ist gestrichen. Die neue Flagge steht so für Frieden und Gedankenfreiheit. © Rainer Kwiotek

„Zuerst verroht die Sprache, dann unser Miteinander“

Ingeborg Welzmüller-Krall, 73, ist pensionierte Deutschlehrerin und lebt in Bad Reichenhall. Sie schätzt ihre Freiheiten in Deutschland – sieht sie aber immer mehr bedroht

Ingeborg Welzmüller-Krall, pensionierte Deutschlehrerin

Nicht eine Minute meines Lebens hatte ich das Gefühl, unfrei zu sein. Doch seit einigen Jahren muss man immer mehr darauf achten, was man sagt. So ist es mir neulich in der S-Bahn passiert, als ich einer Freundin erzählte, dass in einer Münchener Grundschule neben der männlichen und weiblichen Toilette auch eine diverse installiert werden soll. Und das in einer Grundschule, wo überall das Geld für die Bildung fehlt! Das geht doch an der Realität vorbei, sagte ich und wurde prompt von einem jungen Mann angepöbelt. Seither spar ich‘s mir, über solche Themen in der Öffentlichkeit zu reden.

Dass nun Politiker verletzt werden, ist die absolute Grenzüberschreitung. Sie beginnt mit Verrohung der Sprache. Beschimpfungen werden immer ausfallender und lauter, und was man sprachlich nicht mehr fassen kann, klären irgendwann die Fäuste. Auch dass sich zudem immer weniger Menschen gründlich informieren und immer mehr Zeitungen eingestellt werden, ist ein Symptom des kulturellen Verfalls, denn eine schrumpfende Medienvielfalt ist eine der größten Gefahren für unsere Demokratie.

In Deutschland kann jeder alles äußern, auch krude Verschwörungsideen. Da tut mir als Demokratin die Meinungsfreiheit echt weh. Was mir fehlt sind die Grenzen bei den Menschen selbst. Meine Freiheit endet dort, wie die Freiheit des anderen beginnt. Würden sich Gesellschaft, Politik und Medien mehr danach richten, gäbe es sicher weniger Verwerfungen in unserer Gesellschaft.

Ingeborg Welzmüller-Krall, pensionierte Lehrerin und treue Zeitungsleserin in ihrem Arbeitszimmer. Sie lebt in Bad Reichenhall. © Rainer Kwiotek

„Die Menschen brauchen Politiker zum Anfassen und Auskotzen“

Torsten Pötzsch, 53, Oberbürgermeister im ostsächsischen Weißwasser, kämpft gegen Abwanderung, Hetze und Ignoranz. „Klartext“ heißt seine Wählervereinigung – und Devise

Torsten Pötzsch, Oberbürgermeister

Ich bin Auge, Ohr und Mund der Demokratie. Dafür stell‘ ich mich seit vielen Jahren regelmäßig freitags auf den Marktplatz, direkt vor unser Rathaus, und hör mir Klagen und Kritik der Leute an. Manche schimpfen bloß über eine Straßenlampe, die ins Schlafzimmer scheint. Andere über Raser vor der Kita oder Ärztemangel. Einiges klär‘ ich mit einem Anruf, anderes mit Kollegen, die ich bitte dazu zu kommen.

„Gerüchteküche“ nenne ich das Format, denn ich rück‘ auch Lügen zurecht, die gezielt von politischen Gegnern über mich und unsere städtischen Projekte verbreitet werden. Ich bin den Meinungen der Menschen dabei direkt ausgesetzt. Sind die Leute zornig, versuch‘ ich ihre Wut zu verstehen und sachlich zu klären. Damit erreich ich viele. Wermir jedoch nur mit Hetze und Unwahrheiten kommt, dem sag ich ganz klar: Stopp!

Beleidigungen und Drohungen gehören zu meinem Alltag. Unbekannte lösten vor einigen Jahren die Radmuttern meines Autos. Ich habe große Angst, vor allem um meine kleine Familie, aber lass mich von sowas nicht unterkriegen. Anzeigen stelle ich keine mehr, weil die Verfahren eh immer eingestellt werden. Und dass sich aus Sorge vor solchen Angriffen immer weniger Menschen in der Kommunalpolitik engagieren, finde ich erschreckend! Da muss das Strafrecht viel härter durchgreifen.  „Bürgermeister sind der Goldstaub der Demokratie“, so sagte es mir in Brüssel einmal ein Europaabgeordneter. Wir erklären Menschen vor Ort die Politik. Tun wir das nicht, verlieren sie das Vertrauen und bekommen eine immer negativere Sicht von „uns da oben“. Es geht nicht darum, sich nur kurz vor Wahlen mal zu zeigen. Ich mische mich stattdessen stetig unters Volk: Denn die Menschen brauchen Politiker zum Anfassen und Auskotzen.

Torsten Pötzsch ist ein deutscher Kommunalpolitiker. Er ist seit 2010 Oberbürgermeister von Weißwasser/Oberlausitz in Sachsen. Regelmäßig veranstaltet er auf dem Marktplatz „seine Gerüchteküche“. Damit versucht er Unwahrheiten, die in der Stadt kursieren, zu entkräften. © Rainer Kwiotek

„Wir holen den Protest von der Straße ins Netz!“

Magdalena Hess, 22, bekämpft mit ihrer Kampagne „#Reclaim TikTok“ rechtsradikale Inhalte auf der Videoplattform. Trotz täglicher Hasskommentare: aufgeben will die Aktivistin nicht

Magdalena Hess, Aktivistin

Es reicht nicht gegen Rechts nur auf die Straßen zu gehen. Die demokratischen Parteien müssen Wahlen gewinnen! Dafür haben ein paar Freunde und ich unsere TikTok-Kampagne gestartet. Wir wollen so junge Wählerinnen und Wähler erreichen. Sie sind es, die die Plattform am meisten nutzen – und zwar oft als einzige Informationsquelle. Die AfD hat das erkannt, und bespielt TikTok mit hunderten Social Media Mitarbeitern, die ihre populistischen Parolen verbreiten.

Mit unserer Kampagne wollen wir den Protest von der Straße ins Netz tragen und diesen rechten Müll durch demokratische Inhalte verdrängen. Anfang März lud ich mein erstes Video hoch, es wurde schnell 80.000 mal aufgerufen. Viele Menschen solidarisierten sich mit uns, produzieren nun selbst regelmäßig Videos. Und auch immer mehr Politiker demokratischer Parteien meldeten sich bei TikTok an, darunter der Bundeskanzler. Plötzlich hatten wir ein paar Tausend hochgeladene Videos und Millionen Aufrufe am Tag.

Dennoch hab‘ ich Angst um unsere Meinungsfreiheit: Gewalt gegen Politiker, brutale Hasskommentare, auch gegen mich, gehören zur Tagesordnung. Ich bin deswegen vorsichtiger geworden, fahre nach Kundgebungen zum Beispiel nicht mehr alleine nach Hause. Aber ich lasse mich nicht einschüchtern!

Denn trotz unserer Erfolge werden Jugendliche noch immer täglich mit rechten Aussagen konfrontiert. Im Grunde ist doch der Staat verantwortlich, dafür zu sorgen, dass die Demokratie stabilisiert wird. Mit seinen verkürzten Inhalten, die sich oft nur schwer auf ihren Wahrheitsgehalt prüfen lassen, bewirkt TikTok das Gegenteil. Auf Dauer müssten die Gesellschaft und besonders die Kinder ein Stück weit vor sich selbst geschützt werden. Deshalb bin ich für ein TikTok-Verbot. Bis dahin werde ich weiter Videos produzieren, mit meinem Gesicht gegen Rechtsextreme und für unsere Demokratie aufstehen, Proteste anmelden, Reden halten und meine Meinung unüberhörbar machen!

Magdalena Hess vor dem Deutschen Bundestag. Sie hat sich zusammen mit Freund*innen von Fridays For Future die Kampagne #reclaimTikTok ausgedacht. Die Aktivistin lebt in Berlin. © Rainer Kwiotek

„Wir brauchen Humor zum Überleben“

Sonja Kling, 53, Kabarettistin aus Köln, beobachtet mit Erschrecken, dass so viele Menschen auf Populisten reinfallen

Sonja Kling, Kabarettistin

Ich spreche viele Dialekte. Das ist eins meiner Markenzeichen. Ich mime Aslan aus der Türkei, nehme Bayern auf die Schippe, ebenso Kölner. Oder imitiere in der ZDF-Sendung „Die Anstalt“ die Pressesprecherin des „Bernd Böcke“ mit Thüringer Akzent. Passend, aber im Grunde ein Klischee: Ostdeutsch gleich Rechts.

Früher habe ich mich der Dialekte ganz selbstverständlich bedient. Heute frage ich mich öfter, ob ich mit diesen Rollen jemanden verletze. Diese Sensibilisierung macht meinen Job anspruchsvoller. Doch wenn Kollegen meinen, dass sie nicht mehr schreiben und spielen dürfen, was sie möchten, reagiere ich empfindlich. Das halte ich für Schwachsinn. Der Kunst werden bei uns keine Grenzen gesetzt. Man muss nur eher mit Gegenwind rechnen.

Kunst hat die Kraft, großes Staunen, Trauer, Schrecken oder Empathie auszulösen. Gefühle, die beim Lesen und Hören von Nachrichten eher nicht geweckt werden. Kunst hat in einer Demokratie auch die Funktion, den Blick der Menschen zu erweitern, sie aufzurütteln, Diskussionen anzuregen. Und ich glaube, der Mensch braucht Humor, um zu überleben.

Schwarz oder weiß, Freund oder Feind – so sehen viele Menschen zurzeit die Welt. Dass Widersprüche nebeneinander existieren können und müssen, ertragen sie nicht. Das scheint mir eines der großen Probleme unserer Gesellschaft zu sein, denn diese Menschen sind anfällig für Populisten, die ihnen allzu einfache Lösungen anbieten.

Dass jeder fünfte die AfD für eine wählbare Partei hält, macht mir Angst. Regiert uns eine solche Partei, fürchte ich tatsächlich um unsere Freiheit. Ich hoffe nur, dass unser Rechtsstaat stabil genug bleibt, um sie zu schützen!

Sonja Kling vor dem Veranstaltungsraum „Atelier Colonia“. Sie ist eine deutsche Kabarettistin, Schauspielerin und Autorin. © Rainer Kwiotek

„Für das Recht demonstrieren zu können, bin ich dankbar“

Wilfried Schmitz, 63, studierter Ackerbauer aus Weilerswist in Nordrhein-Westfalen nahm an den Bauernprotesten teil, fühlte sich bestärkt, glaubt aber nicht an einen langfristigen Erfolg der Demos

Wilfried Schmitz, studierter Ackerbauer

Ich lese meine Lokalzeitung und bin in vielen WhatsApp-Gruppen. Manches, was da rumgeschickt wird, ist echt Blödsinn, in anderem fühle ich mich mehr gesehen als in der Tagesschau. Dort fehlen mir Positionen abseits des Mainstreams.

Ich bin auf meinem Hof Landwirt in der dritten Generation. Mein Opa und Vater hatten noch Hühner, Schweine, Kühe. Mein Interesse liegt im Ackerbau. Ich baue Kartoffeln, Zuckerrüben und Gemüse an, außerdem Weizen und Gerste. Mein Sohn lernt ebenfalls Landwirt. Ich habe ihn nicht dazu gedrängt. Im Gegenteil. Eigentlich müsste ich ihm davon abraten.

Schon immer mussten wir in der Landwirtschaft flexibel sein. Das Wetter kann die Ernte vernichten, niedrige Marktpreise den Gewinn kosten. Zudem sind wir durch Vorgaben der EU eingeschränkt. All das sind wir gewohnt, aber dass uns die deutsche Politik zusätzlich Steine vor die Füße schmeißt, ist schwer zu ertragen.

Für mich war es daher eine Notwenigkeit und ein gutes Gefühl, mit dem Trecker auf der Straße zu demonstrieren. Das Grundgesetz gibt uns diese Freiheit, und dafür bin ich dankbar. Aber ich habe auch das Gefühl, dass Unterschiede gemacht werden. Wären wir so rigoros vorgegangen wie die Lokführer, hätte man uns viel härter zur Rechenschaft gezogen. Auch als die Aktivisten in Lützerath vermummt rumliefen, wurde denen viel länger zugesehen, ohne einzugreifen.

Dass die Rechten unsere Proteste gekapert haben, stimmt so auf keinen Fall. Nur weil uns einige Politiker und Gruppierungen nach dem Mund geredet haben, um ihre eigenen Themen unterzubringen, heißt das nicht, dass wir uns davon beeinflussen lassen. Wir stehen für die Ernährungssicherheit dieses Landes und kämpfen um die Wertschätzung unserer regionalen Produkte.            

Während der Proteste hat man uns kurzfristig zugehört. Aber ich habe wenig Hoffnung, dass das langfristig viel bringt.

Wilfried Schmitz auf seinem Wintegerstenfeld. Er ist Landwirt in Weilerswist. © Rainer Kwiotek

„Die jungen Menschen sind meine Hoffnung“

Florence Brokowski-Shekete, 57, ist Schulamtsdirektorin in Mannheim – als erste Schwarze in Deutschland. In Büchern, Vorträgen und in dem Podcast „Schwarz – Weiß“ erklärt sie, wie alltäglichem Rassismus zu begegnen ist

Florence Brokowski-Shekete, Schulamtsdirektorin

Ich wuchs behütet in Buxtehude bei einer Pflegemutter auf, und obwohl alle um mich herum weiß waren, hatte ich nie das Gefühl, fremd zu sein. Erst später wurde mir gezeigt, dass ich doch nicht ganz dazu gehöre. Kinder machten sich über mich lustig, Lehrer griffen nicht ein.

Ich begann, mich und meine Hautfarbe zu verstecken. Mein Credo war: bloß nicht auffallen. Wenn, nur mit extrem gutem Benehmen. Ich fühlte mich wie ein Vogel mit gefesselten Flügeln.

Kleine Rassismen sind wie Mückenstiche. Einer allein ist nicht so schlimm, viele schwer auszuhalten. Besonders 2014, als viele Geflüchtete kamen, war es extrem: Die Polizei kontrollierte mich ständig, ich wurde als Prostituierte beleidigt. Als Partnerin eines weißen Mannes gingen viele davon aus, ich sei sein „Urlaubsmitbringsel“.

Doch seit der „Black Live Matter“-Bewegung hat sich einiges verändert. Menschen, die sich vorher nicht getraut haben, wehren sich. Zeitgleich erschien mein erstes Buch. Mit meiner Lebensgeschichte so sichtbar in der Öffentlichkeit, legte ich endgültig die Hemmung ab, meine Stimme zu erheben.

Um Menschen klarzumachen, dass ihre Aussagen verletzen, ziehe ich Vergleiche: Bei einer Lesung bestand ein Zuhörer darauf, das N-Wort zu nutzen. Schwarze Rapper täten das ja auch. Ich fragte ihn, ob ich ihn von nun an mit dem Kosenamen ansprechen dürfe, den seine Frau für ihn hat. Erst da verstand er. Jeder darf in Deutschland alles sagen, doch man sollte es vorher durch ein Sieb des Respekts, der Achtsamkeit und Wertschätzung gießen.

Die deutsche Gesellschaft ist sensibler geworden. Vor allem die Generation Z wird nicht müde, auf Ungerechtigkeit hinzuweisen. Meine weißen Babyboomer-Freunde berichten, dass ihnen ihre Kinder zunehmend rassistische Aussagen vorhalten. Auch wenn ich mich geärgert habe, als Aktivisten der „Letzten Generation“ die Straße blockierten und ich zu spät zur Arbeit kam, verstand ich: Das ist dieselbe Generation, die sich auch für meine Themen einsetzt. Die jungen Menschen, sie sind meine Hoffnung.

Florence Brokowski-Shekete ist Schulamtsdirektorin in Mannheim und SPIEGEL Bestseller Autorin von „Mist, die versteht mich ja!“ & „Raus aus den Schubladen!“ -Parkanlage am Mannheimer Wasserturm © Rainer Kwiotek

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