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© Max Fischer, Pexels

Eine mediale Allianz für die Jugend

Junge Menschen konsumieren immer weniger Nachrichten, dafür immer mehr Social Media. Dabei werden im „Superwahljahr“ 2024 entscheidende politische Weichen – auch für die Zukunft der Generation Z – gestellt. Zeitungsverlage und anderen Organisationen versuchen mit dem „Jahr der Nachricht“ gegenzusteuern und den Wert von Journalismus zu vermitteln.

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Wenn sich Verlage, Verbände, der öffentlich-rechtliche Rundfunk und andere Medienorganisationen zusammentun, um gemeinsam an einem Thema zu arbeiten, dann muss es für die Zukunft der Branche und der Gesellschaft von großer Bedeutung sein.

Und das ist es auch. Nicht etwa Digitalisierung, Künstliche Intelligenz oder Big Tech hat diese bemerkenswerte Allianz zum Top-Thema für 2024 erhoben. Sondern junge Menschen. Genauer, wie diese sich wieder für Journalismus begeistern können und wie ihnen der Wert von Nachrichten für ihre eigene Lebensrealität vermittelt werden kann. Denn wer nur einen Blick in die sozialen Medien wirft und die Fake News-Kampagnen rund um diese Auseinandersetzungen ins Auge nimmt, dem wird klar, dass die Medien und die Gesellschaft genau jetzt dringend etwas tun müssen, um die junge Generation nicht an den (Des-)Informationsdschungel zu verlieren.

Um das zu verhindern, hat das oben genannte Bündnis das Jahr 2024, in dem wir auch 75 Jahre Grundgesetz und damit 75 Jahre Artikel 5 feiern, zum „Jahr der Nachricht“ ernannt. Federführend ist hier die Initiative #UseTheNews, die sich die Vermittlung von Medienkompetenz für junge Menschen auf die Fahne geschrieben hat und zu deren Gründungsmitgliedern auch der BDZV zählt.

Mit jungen News auf Social Media gegen Desinformation

Rieke Smit ist seit drei Jahren in unterschiedlichen Rollen bei #UseTheNews in eben dieser Mission unterwegs. Ihr neustes Projekt: die Leitung eines Sozial News Desks (SND). Bei dem Projekt handelt es sich um eine Content-Redaktion von #UseTheNews mit Sitz in Hamburg. Das siebenköpfige Team versucht die jungen Menschen genau dort abzuholen, wo sie am besten Zeit verbringen: In den sozialen Netzwerken. Dafür produzieren sie seit Anfang des Jahres Videos für Instagram und TikTok. Die Idee: Mit präganten, maximal 90 Sekunden langen Videos in einfacher Sprache sollen junge Menschen in ihrer Lebensrealität abgeholt und ihnen so aufzeigt werden, dass Nachrichten einen Mehrwert für sie bieten.

„Wir sind ein junges und diverses Team und schauen, was junge Menschen aktuell beschäftigt“, sagt Smit. „Dabei orientieren wir uns auch an aktuellen Geschehnissen. Wichtig ist, dass es ein guter Mix ist zwischen den aktuellen Themen und solchen, die junge Menschen derzeit stark beschäftigen.“ Gleichzeitig müssen auch die Videos ansprechend gestaltet sein. „Wir haben gemerkt, dass sich Kreativität bezahlt macht und von der Community wertgeschätzt wird“, erläutert Smit die Erfolgsfaktoren für die Videos.

Die junge Redaktion stellt jede Woche ein Thema in den Fokus. Das waren schon ADHS, Dating und Beziehung, Social-Media-Konsum oder Wohnen und Mieten. Das Besondere dabei: Für die Themenwochen kooperiert die Social News Daily-Redaktion mit unterschiedlichen Medienhäusern und dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk.

So arbeiteten etwa die „Lausitzer Rundschau“ und die „Märkische Oderzeitung“ an Videos zur Themenwoche „Queeres Leben“ mit. Der Vorteil: Die Zeitungen können junge Themen bedienen und die Kreativität der jungen Redakteure mitnehmen, während die SND-Videos von der Reichweite der Medienhäuser profitieren. So wurde etwa ein Video mit Ingo Zamperoni, für das die Redaktion mit der „Tagesschau“ kooperiert hatte, bisher 1,2 Millionen Mal angesehen. Genau das ist es, was das Projekt erreichen möchte: Jungen Menschen zeigen, dass es auch Nachrichten gibt, die für sie relevant sind – und sie damit wieder an Journalismus heranführen und zu mündigen Bürgerinnen und Bürgern machen. „Gerade sind wir in einer Entwicklung, in der die Menschen zum Teil das Vertrauen in Medien verlieren“, mahnt Smit. „Dabei ist es unserer Meinung nach gerade im 75. Jubiläumsjahr des Grundgesetzes wichtiger denn je, gegen Desinformation vorzugehen und Nachrichtenkompetenz zu stärken“, so Smit.

Rieke Smit

Schulprojekte der Zeitungsverlage begeistern Tausende Schüler für Journalismus

Diese Mission verfolgen die Schulprojekte der Zeitungsverlage schon lange. Mit der „Zeitung in der Schule“ (ZiSch) haben ganze Generationen von Schülerinnen und Schülern ihre Lese- und Medienkompetenz gestärkt. Heute, in einer digitalen Gesellschaft, setzen die Zeitungsverlage in diesen Projekten verstärkt auf ihre Digital-Kompetenzen und stellen etwa das E-Paper oder Plus-Zugänge sowie andere digitale Lehrmaterialien für die Schulen zur Verfügung.

Eines der aktuell erfolgreichsten Projekte in diesem Bereich wird von Gun Hellmich geleitet. Sie ist Head of Institutions & Education und Head of Partnerships bei der “Frankfurter Allgemeinen Zeitung” und betreut dort die medienpädagogischen Projekte.

Update your school © FAZ

Mit „Demokratie in Aktion“ möchte die F.A.Z. an das Grundgesetz-Jubiläum in diesem Jahr und an das 75. Existenzjahr der Zeitung anknüpfen. Das Projekt hat innerhalb kurzer Zeit fast 16.000 Menschen erreicht. „Die breite Resonanz hat uns auch überrascht und zeigt, wie wichtig das Thema Demokratie ist“, sagt Hellmich.

Bei dem Projekt sind Schülerinnen und Schüler der Klassen 7 bis 13 eingeladen, sich in Beiträgen in Form von Podcasts, Videos, Social Media und Co. mit dem Thema Demokratie auseinanderzusetzen. Die besten Beiträge werden anschließend ausgezeichnet. Ziel ist es, junge Menschen dabei zu unterstützen, ihre Meinung zu bilden, zu vertreten und für Demokratie einzustehen. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer, die sich für den Wettbewerb registriert haben, erhalten die digitale Ausgabe der F.A.Z. und der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ (F.A.S.), inklusive F+, um damit für ihre Wettbewerbsbeiträge zu recherchieren. Zusätzlich gibt es begleitendes Unterrichtsmaterial.

Für alle, die selbst ein Schulprojekt ins Leben rufen wollen, hat Gun Hellmich einen entscheidenden Erfolgstipp: Das Interesse der Schülerinnen und Schüler über Themen wecken, die sie etwas angehen und über die sie dann mehr wissen möchten. „Dann motiviert man sie auch darin, Zeitung zu lesen bzw. Nachrichten zu konsumieren“, weiß sie aus ihren Erfahrungen zu berichten.

„Wir möchten den Schülerinnen und Schülern vermitteln, was es bedeutet, Informationen zu selektieren und eine eigene Meinung zu entwickeln sowie Themen kritisch zu hinterfragen“, so Hellmich zur Intention der F.A.Z.-Schulprojekte, die seit 1980 nahezu 200.000 Schülerinnen und Schüler bundesweit erreicht haben. Und das geht nur, wenn den jungen Menschen der richtige Umgang mit Medien wie der Zeitung beigebracht wird. Zudem, so Hellmich weiter, bilde das Zeitunglesen das Allgemeinwissen der Schülerinnen und Schüler. Auf diese Weise leistet die F.A.Z. und die zahlreichen Schulprojekte der deutschen Verlage einen wichtigen Beitrag zur Stärkung der Nachrichtenkompetenz junger Menschen und des Qualitätsjournalismus.

Genau das möchte auch die Willy-Brandt-Gesamtschule erreichen. Die Schule im Bochumer Stadtteil Werne mit über 1.300 Schülerinnen und Schülern arbeitet bereits seit Jahren mit Hilfe der Zeitungsverlage an der Bildung von Medienkompetenz ihrer Schützlinge. Einer der rund 120 Lehrerinnen und Lehrer, der diese Mission in die Tat umsetzt, ist David Beckeherm.

Der 39-Jährige ist seit sechs Jahren an der Schule im Fach Sozialwissenschaften tätig und seit 2020 bei den verschiedenen Schulprojekten mit dabei, hauptsächlich von der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“. In verpflichtenden Zusatzkursen gibt es die Möglichkeit für die Schülerinnen und Schüler, an einem Medienprojekten mitzuwirken. „Wir hatten zum Beispiel ein Projekt zu den US-Wahlen und eins zur Bundestagswahl“, so Beckeherm. „Die Schülerinnen und Schüler haben sehr intensiv über Wochen an den Projekten gearbeitet und sehr gute Ergebnisse erzielt“, sagt der Pädagoge.

Ein besonderer Erfolg: Mit dem Videoprojekt „Das neue Schulsystem“ und dem Podcast „Newsflash“ gewannen Schülerinnen und Schüler aus Beckeherms Kurs in der 13. Klasse im Jahr 2021 den 2. und 3. Platz beim F.A.Z.-Schulwettbewerb „Bundestagswahl 2021 – Gib der Zukunft deine Stimme!“. Zwei Schülerinnen durften zur Preisverleihung nach Berlin. „Eine tolle Erfahrung für die Schülerinnen“, so Beckeherm.

Die Projekte seien ein Türöffner gewesen, um das Interesse der jungen Menschen an bestimmten Themen zu wecken. Sie tauchen tiefer ein und setzen sich kritisch mit der Darstellung des Themas in den Medien auseinander. Das ist, so stellt Beckeherm fest, keineswegs selbstverständlich: „Nachrichtenverfolgung findet kaum statt, höchstens auf Social Media. Die Schülerinnen und Schüler sind zu häufig nur noch Konsumenten und ihnen fehlt der kritische Blick“.

Ein Tipp von Beckeherm: „Man muss die jungen Menschen auf ihren Plattformen abholen und ihre Sprache benutzen.“ Allerdings dürfe es nicht übertrieben wirken. „Es sollte nicht ranschmeißerisch rüberkommen, die jungen Menschen können schon zwischen einer seriösen Marke wie einer Zeitung und anderen Quellen unterscheiden“.

Auch wenn die Schulen viel pädagogische Betreuung leisten können – wichtig ist dennoch die gute Unterstützung durch die Zeitungen. „Wir sind keine professionellen Journalisten, deswegen ist es eine große Hilfe, wenn die Zeitungen uns bei den Projekten unterstützen“, so Beckeherm. Redaktionsbesuche mit Schülerinnen und Schülern bei der F.A.Z., wo sie ins Gespräch mit den Medienschaffenden kommen, sind dabei etwa eine Möglichkeit. Aber auch die Lehrmaterialien, die auf fazschule.net hochgeladen werden, unterstützen die Lehrkräfte.

Junge Menschen mit Nachrichten zu erreichen und ihnen den Wert von Journalismus und Pressefreiheit zu vermitteln, ist also keine Aufgabe, die alleine gemeistert werden kann. Es ist Zeit für eine Allianz für die Jugend.

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