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© Google DeepMind, Pexels

Generative KI ist ein Game Changer 

Schon früh hat der BDZV das Thema KI aufgegriffen. Mit Informationsveranstaltungen und Workshops zu redaktionellen, technischen und rechtlichen Fragen, aber auch mit Best Practice und Austausch unterstützt der Verband seine Mitglieder beim Know-how-Aufbau. 

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Generative KI ist ein Game Changer. Mit ChatGPT wird Künstliche Intelligenz sichtbar, anfassbar und nutzbar. Jeder kann ohne Programmierkenntnisse Befehle eingeben, um gebrauchsfertige Texte oder Bilder zu generieren. Seit der Freigabe von ChatGPT ist es kinderleicht, mit KI kreativ und auch journalistisch zu schreiben. Für Verlage ist es wichtig, sich frühzeitig mit dem Thema zu beschäftigen. 

Nach Prognosen von McKinsey kann Künstliche Intelligenz das deutsche Bruttoinlandsprodukt bis 2030 zusätzlich um durchschnittlich 1,3 Prozentpunkte pro Jahr steigern. Auf der anderen Seite gibt es große Unsicherheiten: Debatten um das zwischenzeitliche ChatGPT-Verbot in Italien, politische Forderungen nach einem KI-Moratorium oder reichweitenstarke Deepfakes verstärken die Skepsis. 

In der Medienbranche sind KI-Technologien seit mehr als zehn Jahren im Einsatz. Häufige Anwendungsfelder für den sogenannten „Roboterjournalismus“ sind Sport-, Wetter- oder Börsenberichte, weil hier tabellarische Daten vorliegen und auf standardisierte Textbausteine zurückgegriffen werden kann. Aber auch Infoboxen erstellen, Listicles bauen, Websites personalisieren, Artikel empfehlen, Audio-Files transkribieren, Social-Media-Monitoring – in all diesen Bereichen hilft KI bereits. Insofern ist der technologische Ansatz nicht neu. Neu sind jedoch die einfache Nutzbarkeit und die Leistungsfähigkeit generativer KI-Tools. Und neu ist auch: Generative KI stößt in den kreativen Bereich vor – das ist eine Revolution. 

Verlags- und Medienhäuser stehen vor der Frage, wie sie generative KI in ihre Strukturen und Prozesse integrieren können. Welche Technologien können echte Innovationen ermöglichen? Welche Bedeutung haben KI-gestützte Systeme für die Geschäftsmodelle? 

BDZV: Information, Vernetzung und Positionierung zur KI

Der BDZV beschäftigt sich in der AG Digital mit aktuellen Themen zur Digitalisierung und technologischen Entwicklungen und hat sich in seiner Sitzung am 7. März 2023 in Hamburg intensiv mit generativer KI auseinandergesetzt. Die AG-Mitglieder waren sich einig, dass Verlage sich frühzeitig und systematisch mit KI befassen müssen. Johannes Sommer vom KI-Lösungsanbieter Retresco rät den Teilnehmern, generative Modelle an kleinen Use Cases auszuprobieren. Es gebe eine Vielzahl sinnvoller Einsatzszenarien für Publisher. Verlage könnten in Echtzeit Texte erstellen und bearbeiten, Bilder und Videos mit nur wenigen Befehlen generieren und umfangreiche Dokumente automatisch analysieren und zusammenfassen. Bestehende Inhalte könnten mit Hilfe von KI optimiert und für unterschiedliche Kanäle umgeschrieben, zusammengefasst oder übersetzt werden. 

Im Mai 2023 wurde zudem die neue BDZV-Projektgruppe „KI-Journalismus“ gegründet. Im Rahmen von monatlichen Webmeetings loten Mitgliedsverlage gemeinsam die Chancen von KI für Verlage aus. Zugleich ist ein verantwortungsvoller Blick auf die Gefahren notwendig. Konsens bei den Teilnehmern ist, dass Künstliche Intelligenz Regeln und ethische Guidelines braucht. So hat bereits die Hälfte der Teilnehmer Guidelines für die eigene Nutzung von KI entwickelt. Die dpa ermuntert etwa alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dazu, sich „offen und neugierig mit den Möglichkeiten von KI“ zu befassen. Die Rheinische Post versteht ChatGPT als „Ideengeber und Vorschlagmacher“, ausdrücklich aber nicht als Autorenersatz. Es sei zudem kein Recherchetool für Fakten. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung erklärt in ihren Grundsätzen, dass sie heute und auch künftig keine Originalbeiträge mit von KI generiertem Text veröffentlichen wird. Bei Ippen gilt das „Human in the Loop“-Prinzip, bei dem jeder Inhalt von einem Mitarbeiter beauftragt und endabgenommen wird.

Best Practice aus den Verlagen

Kann Künstliche Intelligenz hinter Paywalls blicken? Bedrohen KI-Systeme Paid-Content-Angebote der Verlage, weil sie in der Lage sind, Informationen hinter den Paywalls umformuliert und kostenlos zu präsentieren? Auch mit diesen Fragen beschäftigt sich der BDZV und die Projektgruppe „KI-Journalismus“. Markus Schöberl, Herausgeber von „pv digest“, berichtete in der KI-Gruppe über einen Selbstversuch, bei dem er Künstliche Intelligenz beauftragte, Bezahltexte zusammenzufassen und so gratis zu machen. Das sei zwar grundsätzlich möglich, allerdings seien die Ergebnisse sehr zweifelhaft: Die Zusammenfassungen seien sehr allgemein gehalten und enthielten falsche Behauptungen. 

Markus Schöberl, Herausgeber pv digest © Sarah Porsack / PV Digest

„KI wird die Verbreitung von falschen Inhalten und Desinformation im Netz beschleunigen. Aber Journalismus und Verlage könnten einen Boom erleben, wenn sie das liefern, was kein Bot liefern kann.“

Christoph Keese, Geschäftsführer Axel Springer HY GmbH

KI-Tools verstehen lernen

In den kommenden Webmeetings der Projektgruppe „KI-Journalismus“, an denen BDZV-Mitglieder jederzeit teilnehmen können, sollen vor allem die Chancen und der praktische Nutzwert von KI diskutiert werden:

Best-Practice-Beispiele aus Verlagen werden regelmäßig vorgestellt. Beispielsweise helfen Prompt-Werkzeuge Redaktionen, präzise und klare Eingabeaufforderungen (Prompts) für ChatGPT zu erstellen. Einzelne Verlage haben eigene Prompt-Werkzeuge entwickelt, die in der Gruppe vorgestellt werden. 

  • Anbieter von IT-Systemen integrieren zunehmend KI-Funktionen in ihre Software-Lösungen. Die KI-Projektgruppe tauscht sich über den Stand der Integration aus und welche Erfahrungen die Verlage mit der Nutzung von KI-Funktionen gemacht haben. 
  • Am Markt gibt es zahlreiche KI-Tools, die auch Verlage im Einsatz haben. Ein regelmäßiger Erfahrungsaustausch ist in der Gruppe geplant. 
  • Im Rahmen der Projektgruppe entstand zudem die Idee, eine Tauschbörse für KI-Trainingsdaten aufzubauen bzw. zu organisieren. 

„KI ist keine Magie“, sagte Alessandro Alviani von Ippen Digital beim BDZV-Digitalkongress #beBETA im Juni 2023. Aber sie könne extrem hilfreich sein. Statt Berührungsängste brauche es Schulung, Ausbildung und Verständnis: „Je besser wir die neuen KI-Tools verstehen, desto zielgerichteter können wir sie einsetzen.“

In den USA hat es bereits einen Sinneswandel gegeben. Noch vor zwei Jahren gab es Konsens darüber, dass vor allem große Verlage von KI profitieren werden, berichtete Ulrike Langer, Fachjournalistin aus Seattle, auf der BDZV-Konferenz. Heute geht man davon aus, dass es kleine unterfinanzierte Lokalredaktionen sind, die von KI profitieren können. Der Haken: KI wird die Verbreitung von falschen Inhalten und Desinformationen im Netz beschleunigen, glaubt der Digitalisierungsexperte Christoph Keese. Aber Journalismus und Verlage könnten einen Boom erleben, „wenn sie das liefern, was kein Bot liefern kann“. Was das sein kann, wusste Christoph Mayer, Partner bei der Unternehmensberatung Schickler: „Keine KI kann den Skandal im Rathaus aufdecken. Das können nur Journalistinnen und Journalisten.“ Das Thema Künstliche Intelligenz ist für die gesamte Branche so wichtig, dass eine Zusammenarbeit der verschiedenen Akteure hier besonders fruchtbar ist.

So gibt es seit März 2023 eine weitere, von BDZV und MVFP initiierte Diskussionsplattform, um gemeinsam Positionen zu Regulierungsfragen zu entwickeln bzw. zu überprüfen. Denn die durch KI generierten Nachrichten in und außerhalb von Suchmaschinen treten zunehmend in Konkurrenz zu den journalistischen Angeboten der Verlage. Daraus entsteht eine Vielzahl urheberrechtlicher, wettbewerbsrechtlicher und rechtspolitischer Fragen. Justiziare aus Mitgliedsverlagen diskutieren diese Themen im Rahmen von monatlich stattfindenden Webmeetings. Ein Positionspapier wurde entwickelt, in dem u. a. gefordert wird, dass die Presse selbst entscheiden muss, ob und wie KI-Systeme ihre redaktionellen Inhalte verwenden.

Wenn KI-Systeme Verlagsinhalte verwerten, müssen diese angemessen vergütet werden. Die Nachweispflicht über die Nutzung von Presseinhalten darf nicht bei den Verlagen liegen, da dieser Nachweis in der Regel unmöglich ist. Auch darf ein Nutzungsvorbehalt zu keiner Diskriminierung durch die Gatekeeper führen. 

 

© headwayio, Unsplash

„Um die Chancen von KI zu nutzen, ist es ratsam, sich frühzeitig und systematisch mit KI im Verlag zu befassen.“

Holger Kansky, Leiter Digitales und Vermarktung beim BDZV

Zukunft des Journalismus mitgestalten

Experten sind sich einig: KI wird die Gesellschaft nachhaltig verändern, und professionelle, vertrauenswürdige Presseangebote werden in diesem Zusammenhang relevanter denn je. Nicht entschieden ist, wie Verlage dazu passende Geschäftsmodelle entwickeln können und wie sich die Rolle des Journalisten verändert. Verlage sollten proaktiv die Zukunft des Journalismus mitgestalten. Dazu gehört auch, sich gegenüber den neuen Technologien offen, engagiert und neugierig zu zeigen, anstatt abzuwarten und zu reagieren. Journalisten müssen agil bleiben und Dinge ausprobieren. Neugierde gehört zum Journalisten wie die Luft zum Atmen. Diese Neugier ist auch für das Arbeiten an neuen Formaten und Produkten – mit KI-Unterstützung – notwendig. Innovation entsteht immer dort, wo Selbstverständlichkeiten hinterfragt und bisherige Spielregeln verändert werden.

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